Der Berliner Onlinehändler Zalando will seinen Konkurrenten About You für 1,1 Milliarden Euro übernehmen. Dabei dürfte es sich um ein strategisches Manöver handeln, mit dem Zalando seine Position im europäischen E-Commerce-Markt gegenüber chinesischen Wettbewerbern stärken will.
Der Berliner Onlinehändler Zalando steht unter Druck. Denn nicht nur die Nachfrage nach Modeartikeln im Internet sinkt, auch die chinesischen Wettbewerber werden immer stärker. So musste Zalando im Mai 2024 bei der Vorlage seiner Quartalszahlen einräumen, dass sowohl die Anzahl der Kunden als auch der Umsatz im ersten Quartal nach unten gingen.
Auch wenn das Unternehmen im zweiten und dritten Quartal wieder ein Umsatzplus erzielen konnte, scheint die Kurve allgemein eher nach unten zu zeigen. Zalando reagiert nun und plant die Übernahme von About You. Der Berliner Online-Händler hat ein freiwilliges öffentliches Übernahmeangebot von 6,50 Euro pro Aktie für bis zu 100 Prozent des Aktienkapitals von About You abgegeben.
Dieser Preis entspricht einer Prämie von rund 65 Prozent auf den Schlusskurs der About-You-Aktie vom Vortag (10. Dezember 2024). Die Hauptaktionäre von About You wie die Otto Group, die Familie Otto selbst oder die Heartland A/S, die insgesamt rund 70 Prozent der Aktien an About You halten, haben dem Angebot von Zalando bereits zugestimmt und werden ihre Anteile an das Unternehmen verkaufen.
Zalando-Übernahme von About You – der Grund
Spannend sind die Beweggründe für die Übernahme. Obwohl ich über diese nur spekulieren kann, gibt es einige Hinweise, die Aufschluss über die Absichten geben, die der Übernahme zugrunde liegen könnten.
Sie scheint insbesondere eine strategische Antwort auf den intensiven Wettbewerb durch chinesische Ultra-Fast-Fashion-Unternehmen wie Shein und Temu zu sein. Diese nutzen ein Consumer-to-Manufacturer (C2M)-Modell, bei dem sie zunächst kleine Mengen an Produkten testen und bei Erfolg, also bei breitem Kundeninteresse, die Produktion sehr schnell erhöhen können.
Dieses Vorgehen ermöglicht es, extrem schnell auf Kundenwünsche und Modetrends zu reagieren. Zalando und About You haben diesem Modell bislang nicht viel entgegenzusetzen. About You plant jedoch zumindest, ein ähnliches Modell demnächst einzuführen. Bei diesem Modell soll der Fokus allerdings auf europäischen und türkischen Produktionsstätten liegen, da man der Meinung ist, dass mit diesen der europäische Geschmack besser getroffen werden kann.
Dual-Brand-Strategie
Zalando stattdessen hat noch im Mai 2024 verlauten lassen, dass es das C2M-Modell nicht einführen möchte, sondern sich stattdessen auf exklusive Marken und Luxusartikel fokussieren will. Diese Meinung scheint sich nun geändert zu haben. Durch die Integration von About You kann Zalando von dessen C2M-Planungen profitieren und so seine eigene Reaktionsfähigkeit auf Markttrends verbessern.
Wahrscheinlich ist Zalando zu dem Schluss gekommen, dass das C2M-Modell doch interessant oder vielleicht sogar entscheidend für die Zukunft ist. Bevor man nun aber selbst langwierig ein solches Modell aufbaut, kauft man es sich lieber und spart so Zeit.
Darüber hinaus verfolgt Zalando eine Dual-Brand-Strategie, bei der sowohl Zalando als auch About You ihre individuellen Markenidentitäten beibehalten, um nach außen unterschiedliche Kundensegmente anzusprechen.
Langfristig erwartet das kombinierte Unternehmen jährliche EBIT-Synergien von etwa 100 Millionen Euro. Diese Synergien sollen durch die Optimierung von Logistik, Technologie und operativen Prozessen realisiert werden.
Zalando und About You: Ablauf der Übernahme und rechtlicher Rahmen
Zalando kann sich wohl schon sicher sein, rund 70 Prozent der vorhandenen Aktien von About You kaufen zu können. Was aber ist mit den restlichen Aktien, die beispielsweise bei Kleinaktionären liegen?
In Deutschland erfolgt eine Unternehmensübernahme in der Regel durch ein öffentliches Übernahmeangebot an die Aktionäre des Zielunternehmens. Zalando hat ein solches Angebot unterbreitet, das von den Hauptaktionären bereits angenommen wurde.
Für die restlichen Aktien können die verbleibenden Aktionäre das Angebot freiwillig annehmen. Entscheidend ist, dass Zalando nach Abschluss des Angebots insgesamt mindestens 95 Prozent der Aktien angeboten bekommen und erworben hat.
Dann kann man ein sogenanntes „Squeeze-out-Verfahren“ einleiten, um die verbleibenden Aktionäre gegen eine angemessene Barabfindung auszuschließen und so 100 Prozent der Anteile zu erwerben.Denn das Ziel von Zalando wird nicht sein, noch ein paar wenige Kleinaktionäre mit wenigen Anteilen neben sich zu haben, sondern die gesamten Anteile zu erhalten.
Ausblick
Die Übernahme von About You durch Zalando ist unter verschiedenen Aspekten spannend. Zum einen markiert sie einen bedeutenden Schritt in der Konsolidierung des europäischen Online-Modehandels. Zum anderen zeigt speziell die Übernahme von About You, dass das von den chinesischen Wettbewerbern sehr gut umgesetzte C2M-Modell Zalando so stark unter Druck setzt, dass das Unternehmen wohl nun die Ansicht vertritt, ebenfalls auf dieses Modell setzen zu müssen.
Weil die Entwicklung eines solchen Modells jedoch Zeit und Ressourcen kostet, übernimmt das Unternehmen lieber einen Wettbewerber. Der Otto Group gelingt es durch den Verkauf, ein defizitäres Unternehmen zu einem guten Preis abzugeben.
Man war dort wohl der Meinung, dass es größere finanzielle Ressourcen bedarf, um About You profitabel zu machen, als dem Modehändler alleine zur Verfügung stehen. Entscheidend wird letztendlich wohl sein, ob es Zalando einerseits gelingt, die C2M-Planungen von About You voran zu treiben und aus diesen eigene Handlungsmöglichkeiten abzuleiten.
Und andererseits: Ob es gelingt, Zalando als Anbieter von Exklusiv- und Luxusartikeln zu positionieren. Auf jeden Fall ist die Übernahme ein interessanter Zug von Zalando, der dem Unternehmen Chancen eröffnet, aber auch zeigt, wie ernst es die Bedrohung durch das Geschäftsmodell der chinesischen Wettbewerber nimmt.
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Der Beitrag Zalando übernimmt About You – und was China damit zu tun hat von Carsten Lexa erschien zuerst auf BASIC thinking. Folge uns auch auf Facebook, Twitter und Instagram.